Schön, wenn es noch erste Male gibt…

Ich fotografiere mehr oder weniger seit ca. 20 Jahren. Immer mal wieder. Mal mehr, mal weniger. Leider nie so richtig konsistent. In den letzten zwei Jahren allerdings, ist meine Leidenschaft für Fotografie nochmal auf ein neues Level gestiegen. Ein Level, auf dem ich mir offensichtlich auch gerne den Wecker auf 04:00 Uhr stelle, um in aller Herrgotts Frühe eine Stunde mit dem Auto quer über Madeira zu fahren. Das Ziel: ein Sonnenaufgang auf der Ponta de São Lourenço. Kein Geheimtipp – was solls. Es ist immerhin das erste Mal, dass ich losziehen will, um einen Sonnenaufgang zu fotografieren.

Aber “first things first”:

Am Tag zuvor sind meine Frau und ich bereits zum Location Scouting auf der beeindruckenden Landzunge im Osten Madeiras unterwegs. Vormittags. Die Sonne brennt. Die Touristen (uns eingeschlossen) bewandern in Scharen die teils stufigen, teils schroffen Wege der Halbinsel. Natürlich hatte ich im Vorfeld recherchiert, wo auf diesem wunderbaren Stück Erde die beste (oder zumindest eine gute) Stelle für ein weitwinkliges Sonnenaufgangs-Foto zu finden ist. Fündig geworden bin ich auf der Website von Stephan Klapszus – herzlichen Dank an dieser Stelle für die gute Beschreibung des Spots. Nicht allzu weit nach dem Startpunkt des Wanderpfades führt ein “Trampelpfad” links den Hang hoch. Am Ende des Pfades hat man bereits eine tolle Aussicht auf die Ponta de São Lourenço. Dem Tipp von Stephan folgend, gehen wir noch ein paar Meter weiter und klettern ein kleines Stück die Felsen hoch. Und da ist er. Der für mich perfekte Blick. Ich habe mich im Vorfeld bereits darauf eingestellt, ein Panorama erstellen zu müssen, da mein 17-28mm eventuell nicht ausreichen würde, die Schönheit dieser Landschaft einzufangen. Aber es passt. Gerade so. Aber es passt.

Ein kleiner Zeitsprung:

Nächster Morgen, 04:00 Uhr. Der Wecker klingelt. Die Nacht war zu kurz. Und zu laut. Die alten Holzrahmen-Fenster unserer wunderschönen, jedoch etwas in die Jahre gekommenen Unterkunft haben den sturmartig anmutenden Wind in der Nacht nur bedingt gedämpft. Kaffee. 04:20 Uhr. Ich betrete unsere Terrasse und sehe den Mond leicht verdeckt hinter einer kleinen Wolke. Ansonsten scheint der Himmel sternenklar. Dennoch bin ich unsicher, ob ich heute meinen Sonnenaufgang bekomme. Die Ponta do São Lourenço liegt eine Autostunde entfernt. Genügend Distanz, um vor Ort völlig andere Wetterbedingungen vorzufinden. Insbesondere auf Madeira. Man soll den Teufel ja nicht an die Wand malen… als wir um kurz nach halb 6 auf dem fast leeren Parkplatz ankommen, ist von Mond und Sternen nichts mehr zu sehen. Es ist dunkel. So dunkel, wie ich es bis jetzt noch nicht erlebt habe. Die Wolkendecke gibt dem Mondlicht keine Chance. Und dem Sonnenlicht? Mit Stirnlampen ausgerüstet beginnen wir die kurze Wanderung. Da wir den Weg bereits kennen, kommen wir schnell an unser Ziel. Gegen 06:15 Uhr steht mein Set Up. Noch 45 Minuten bis Sonnenaufgang. Zeit für Frühstück. Die Morgenluft ist wärmer als gedacht, dennoch bin ich froh über meine zwei Fleecejacken.

Als die Morgendämmerung beginnt, sehe ich meinen Hoffnungsschimmer in Form eines schmalen Streifens wolkenlosen Himmels deutlich in der Ferne.
Und dann leuchtet pures Gold am Horizont und ich bin glücklich, hier zu sein.

11 Minuten später habe ich mein Foto unerwartet schnell im Kasten. Wir sitzen dennoch eine weitere Stunde hier, bewundern die Natur und kommen uns in Anbetracht dieser Aussicht irgendwie ganz klein vor.

Heute:

Ein paar Tage später sitze ich auf der Terrasse unserer etwas in die Jahre gekommenen, aber wunderschönen Unterkunft und schreibe diese Zielfoto-Story. Meine erste.

Schön, wenn es noch erste Male gibt.