Der lange Weg nach Manarola

Eine Story von S.Bertram
26.08.2024

In dieser Story

Der lange Weg nach Manarola

Alles begann mit einem Bild.
Im Herbst des letzten Jahres habe ich beim Surfen im Internet ein wunderschönes Bild von einem kleinen Dorf auf einer Steilklippe am Meer gesehen. Ich wusste gleich, dieses Fischerdorf, mit seinen Häusern in verschiedenen gedeckten Gelbtönen, abgelichtet zur blauen Stunde wäre ein gutes Motiv für ein neues Bild in unserem Wohnzimmer.

Also habe ich mich auf die Suche begeben wo denn dieses kleine Fischerdorf liegt. Nach einigen Recherchen hatte ich herausgefunden, es muss an der Westküste Italiens liegen. Westküste Italiens, da waren wir noch nie im Urlaub. Das könnte doch unser Reiseziel für den nächsten Sommer sein.
Doch dann kam die Vorweihnachtszeit. Mit all den Vorbereitungen, Besorgungen, Weihnachtsbaum kaufen und diesen das erste Mal von den Kindern alleine schmücken lassen, die vielen Lichter, der Geruch von Lebkuchen und die glücklichen leuchtenden Kinderaugen bei der Bescherung.
Somit geriet die Idee für diese Reise in Vergessenheit.

Erst Anfang diesen Jahres, als meine Frau schon Reiseziele für den Sommer gesucht hatte, ist mir das Bild von damals und die daraus entstandene Idee wieder ins Gedächtnis gekommen.

Da wir unsere Jungs, der eine ist fünfzehn und der andere zwölf Jahre alt, bei der Reiseplanung für den Sommer immer miteinbeziehen, hieß es nun die ganze Familie von der Westküste Italiens zu begeistern.

Die letzten zehn Jahre waren wir entweder in Kroatien oder in Venetien an der italienischen Adria.
Istrien, der nördliche Teil von Kroatien ist wunderschön mit seinem super klaren Wasser, der tollen Landschaft und leckerem Cevapcici.
Aber auch die Halbinsel Jesolo, der Lagune von Venedig vorgelagert, ist bei uns sehr beliebt. Vor allem der Campingplatz Ca‘Savio. Wir campen sehr gerne und genießen bei dieser Art zu reisen vor allem das Gefühl der Freiheit. Mit dem Ca‘Savio haben wir einen Campingplatz gefunden der sozusagen unser Standardmodell für einen Campingplatz ist. Direkt am Meer gelegen, für kurze Wege zum kühlen Nass an heißen italienischen Sommertagen.
Da brauchte es schon etwas Überzeugungsarbeit um den Rest der Familie auch für Ligurien zu begeistern.

Ligurien, so heißt die Region im Nordwesten Italiens wo das Fischerdorf liegen soll. Genauer gesagt in Cinque Terre. Die Cinque Terre, übersetzt bedeutet es so viel wie „Fünf Gebiete“, ist ein zwölf Kilometer langer Küstenstreifen mit einer steil herabfallenden Küste nördlich von La Spezia. Sie eignet sich mit einhundertzwanzig Kilometer Wanderwegen hervorragend zum Wandern. Aber auch Baden und wagemutige Sprünge von hohen Felsklippen ins Meer kann man hier erleben. In diesem als Nationalpark geschützten Gebiet leben in fünf Dörfern circa dreitausendfünfhundert Menschen.
Und eines dieser „Cinque Terre“ ist das von mir gesuchte Fischerdorf. Es ist das malerische Manarola.
Die anderen, nicht weniger schönen Dörfer, sind Monterosso al Mare, Vernazza, Corniglia und Riomaggiore.
Nach einigen Erklärungen zum neuen Reiseziel waren alle damit einverstanden und die Reiseplanung konnte beginnen.
Voller Elan und Vorfreude begann ich einen geeigneten Campingplatz zu suchen.

Nach mehreren Stunden Suche und einigen Abstrichen bei den durch meine Reisebegleiter gemachten Voraussetzungen habe ich dann einen geeigneten Campingplatz gefunden. Er sollte direkt am Meer liegen und nicht zu weit von Pisa entfernt sein, so die Vorgaben meiner Frau. Leider war ein Campingplatz mit direktem Meerzugang nicht zu unseren preislichen Möglichkeiten zu bekommen!

Aber fünf Minuten Fahrtzeit bis zum Meer mit einem Shuttlebus vom Campingplatz waren eine gute Alternative. Nachdem alle Familienmitglieder die gefundene Destination abgenickt hatten, wurde gebucht. Gleich die ersten beiden Wochen der Ferien sollten es sein. Denn entgegen unserer gewohnten Reisezeit, eher am Ende der Sommerferien musste es dieses Jahr schon am Anfang der, und ich zitiere unseren Jüngsten, „schönsten Zeit des Jahres“ sein. Bei meiner Frau war es aus beruflichen Gründen dieses Mal anders nicht möglich.

Ich war aufgeregt wie ein kleines Kind vorm Heiligabend und freute mich riesig auf den geplanten Urlaub.
Die Zeit verging und alles schien nach Plan zu laufen.
Eines Tages bekam ich Post. Es war ein Brief von Alfred. Alfred ist das jüngste von zwei Kindern von einem meiner besten Freunde und mein Patenkind. In dem Brief war eine Einladung zur Einschulung von Alfred. Nun kommt mein Patenkind schon in die Schule. Ich finde an den Kindern, egal ob die eigenen oder nicht, sieht man wie schnell doch die Zeit vergeht.
Wir haben uns über die Einladung sehr gefreut und natürlich zugesagt.

Was ich aber nicht bedacht hatte, Alfred lebt in Sachsen und wir in Baden-Württemberg. Da die Ferien der Bundesländer aber sehr unterschiedlich ausfallen war die Einschulung von Alfred genau am ersten Wochenende von unserer geplanten Reise. Die Einladung absagen kam aber auf keinen Fall in Frage und so musste die Reise verschoben werden.
Nach einigen Telefonaten mit Italien und ein paar e-Mails später waren die Reisedaten angepasst. Dies bedeutete aber auch wir hatten etliche Kilometer vor uns.

In den folgenden Wochen wurden Reiserouten erstellt, ein weiterer Campingplatz in der Nähe von Innsbruck für eine Zwischenübernachtung auf dem Weg nach Italien gebucht und Vignetten für die Autobahnmaut gekauft.
Endlich waren die Ferien da und die Reise konnte beginnen. Wir haben den Wohnwagen gepackt, ihn angekuppelt und sind zu Alfred gefahren. Es war eine super schöne Einschulung und wir hatten ein paar großartige Tage in Dresden mit tollen Freunden.
Danach ging die große Fahrt weiter. In zwei Tagen von Dresden Weißer Hirsch über Innsbruck nach Torre del Lago Puccini, in der wunderschönen Toskana. Eine reichliche Autostunde von Manarola entfernt.

Endlich da, dem Ziel so nah!
Doch in der ersten Nacht kam das böse Erwachen. Der Campingplatz, den wir uns ausgesucht hatten, war laut, sehr laut. Er war so laut, dass bei mir an erholsamen Schlaf nicht zu denken war.
Wir haben uns das ein paar Tage angeschaut und mussten eine Entscheidung treffen.
Bleiben oder fahren. Doch wohin? Alles in der Gegend war ausgebucht, der Campingplatz für knapp zwei Wochen bezahlt und eine Rückerstattung bei vorzeitiger Abreise wurde uns verwehrt.

Der Familienrat wurde einberufen. Die Jungs hatten, wie bei Teenagern nicht anders zu erwarten keine Probleme mit dem schlafen. Und auch meiner Frau fiel der erholsame Schlaf leicht, da sie seit einem Hörsturz in ihrer Jugend nur noch auf einer Seite richtig hört und immer mit Ohropax im anderen Ohr schläft. Ohropax musste dann die Lösung für mich sein. Ich hatte das schon einmal ausprobiert und bin aber überhaupt nicht damit klar gekommen. Nun sollte ich es nochmal versuchen, damit der Urlaub und das geplante Foto nicht ins Wasser fallen würden. Und was soll ich sagen, nach zwei Nächten sich daran gewöhnen, habe ich geschlafen wie ein Baby.
Der Urlaub war gerettet und am Spätnachmittag eines heißen toskanischen Sommertages sind wir nach ein paar entspannten Stunden am Meer in Richtung Cinque Terre gefahren. Die Route führte uns von Torre del Lago Puccini über Viareggio und La Spezia nach Manarola. Es war eine schöne Tour mit atemberaubenden Straßen an steilen Klippen entlang hoch über dem Meer. Das Blau des Meeres schimmerte so schön in der Sonne und am Horizont konnten wir große Kreuzfahrtschiffe sehen.

Wir hatten Glück und bekamen gleich einen Parkplatz kurz vor dem Ortseingang. Die Einfahrt nach Manarola ist aufgrund der außergewöhnlichen Lage des kleinen Fischerdorfes nur den Anwohnern und Lieferanten vorbehalten.
Nach einem kurzen Fußmarsch von ungefähr zehn Minuten, hatten wir die Einfahrtsschranken hinter uns gelassen und standen mitten in dem am Hang gelegenen Manarola. Die kleinen engen Gassen und die bunten Häuser haben uns sofort gefallen. Viele kleine Restaurants säumen den Weg durch das Dorf in Richtung Meer. Überall duftete es nach Pizza, Pasta und frischen Fisch. Da wir bis Sonnenuntergang noch genügend Zeit hatten und alle hungrig waren nahmen wir in einem kleinen ligurischen Restaurant mit dem wohlklingenden Namen „La Scogliera“ Platz. Die bis jetzt leckersten Spaghetti Frutti di Mare durfte ich in den kühlen Gewölben des alten ligurischen Fischerhauses genießen.
Nachdem wir uns gestärkt hatten, ging es ein ganzes Stück den dem Dorf gegenüberliegenden Weinberg hoch in Richtung Fotospot. Ein erstes Scouting um den richtigen Standplatz für das Stativ zu finden war gar nicht so einfach. Der Ort ist unter Touristen sehr beliebt und dementsprechend waren viele Menschen dort unterwegs. Aber mit etwas Geduld und Freundlichkeit konnte ich die beste Position für die spätere Aufnahme finden. Immer guter Hoffnung, dass die Menschenmassen sich nach dem Sonnenuntergang langsam auflösen würden.

Nun hieß es für alle warten. Einen weiterer Aufstieg im Weinberg wurde durch meine Familie abgelehnt. Wohl auch weil es trotz fortgeschrittener Tageszeit immer noch sehr warm war. So suchten wir uns ein schattiges Plätzchen unter Olivenbäumen mit einer schönen Aussicht aufs Meer und chillten, wie meine beiden Teenager sich wohl ausdrücken würden.

Das kam dann auch bei meiner Frau sehr gut an. Endlich mal kein Stress und Termindruck, Fotografieren kann so schön entschleunigend sein.
Der Sonnenuntergang war nicht mehr weit und ich begab mich mit Kamera und Stativ bewaffnet zum vorher ausgewählten Fotospot.
Leider machte ein Wolkenband im Westen, welches sich am Horizont vor die untergehende Sonne schob, ein schönes Farbenspiel am Himmel unmöglich. Dadurch lichteten sich dann auch relativ zügig die herumschwirrenden Touristen und ich konnte in Ruhe die Kamera aufbauen und alles einstellen.
Mit Beginn der blauen Stunde kam mein jüngster Sohn zu mir und wollte auch ein paar schöne Fotos mit seinem Handy machen. Nachdem er noch einige Tipps zum richtigen Bildaufbau, ISO und Belichtungszeit bekommen hatte, machten wir uns gemeinsam ans Werk.

Es hat sehr viel Spaß gemacht mit meiner Familie dieses Fotoerlebnis zu teilen, aber vor allen Dingen mit meinem Sohn zusammen mein „Zielfoto“ in den Kasten zu bringen.

Ich freue mich schon darauf, wenn das Bild bei uns im Wohnzimmer hängt und wir alle ein gemeinsames Erlebnis damit verbinden können.

Weitere Bilder

 

Autor:in
S.Bertram
Kfz-Technik-Meister aus Murr an der Murr
Ich bin ein ambitionierter Hobbyfotograf, habe aber aufgrund meiner Tätigkeit als Jugendfußballtrainer viel zu wenig Zeit zum Fotografieren.
Ich fotografiere seid ich 1989 meine erste Kamera (analoge Sucherkamera) zur Jugendweihe geschenkt bekommen habe.
Ich bin ein ambitionierter Hobbyfotograf, habe aber aufgrund meiner Tätigkeit als Jugendfußballtrainer viel zu wenig Zeit zum Fotografieren.
Ich fotografiere seid ich 1989 meine erste Kamera (analoge Sucherkamera) zur Jugendweihe geschenkt bekommen habe.

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