Auf dem Weg zum Zielfoto

Eine Story von Jan Pauls
13.08.2023

In dieser Story

Das Zielfoto

Die Oberschweinstiege kennt jeder, der im Raum Frankfurt im Bereich Wildlife-Fotografie unterwegs ist. Fünf Kilometer nordöstlich des Frankfurter Flughafens erstreckt sich ein Weiher, der sich nicht nur wunderbar dazu eignet spazieren zu gehen, sondern auch dazu, teilweise seltenere Tiere, wie etwa die Mandarinente, zu fotografieren.
Als ich vor grob 18 Monaten mein erstes Teleobjektiv gekauft habe, bin ich anschließend fast jeden Tag um den Jacobiweiher gelaufen.

Meine große Hoffnung war es, den Eisvogel nur einmal so zu erwischen, wie es zwei Fotografinnen, denen ich gerne auf Instagram folge, tun.
Maximal freigestellt, der Eisvogel alleine auf einem Ast – dies sollte mein Zielfoto sein.

Der Leidensweg

Nach mehreren Monaten habe ich ernüchternd festgestellt, dass ich dieses Foto nicht an der Oberschweinstiege schießen werden, also habe ich versucht, andere Tiere zu fotografieren und besser in der Kamerabeherrschung zu werden, um im Fall der Fälle, also beim Antreffen eines Eisvogels, den Fokus zu treffen und sonst ebenso alles richtig zu machen.

An diesen anderen Orten habe ich viele Kontakte innerhalb der regionalen Szene geschlossen und so habe ich von anderen Orten erfahren, wo man solch ein schönes Foto schießen könnte.
Nach und nach bin ich allen Tipps nachgegangen, habe viel probiert, jedes Video über die richtigen Autofokus-Einstellungen geschaut, die es gibt und mich in einschlägiger Literatur über den Eisvogel informiert.
Nach jedem Bisschen mehr erhaltenem Wissen, bin ich wieder Runde für Runde um den Jacobiweiher gelaufen und habe sehr selten einen oder mehrere Eisvögel gesehen und so gut wie niemals verwertbare Bilder geschossen.
Schon gar nicht mein Zielfoto.

Die Oberscheinstiege habe ich nach und nach vergessen, weil mich die etlichen Frustrationserlebnisse in Hinsicht auf fehlendem Zielfoto dazu verleitet haben, mir andere Spots zu suchen, um dort eher mein Glück zu finden.
Mal bin ich morgens um 4 Uhr losgefahren, um es bei Tagesanbruch zu versuchen, mal zu Feierabend, um den Eisvogel dabei zu beobachten, wie er zu Abend isst – natürlich, vergeblich.
Ich habe auf etliche Stunden Schlaf verzichtet und habe wirklich wenig zurückbekommen, aufgeben wollte ich jedoch nicht.
In den nächsten Monaten war ich in weiteren Land- und Naturschutzgebieten unterwegs und habe nach und nach Bilder schießen können, die sich in winzig kleinen Schritten an mein Wunschbild angenähert haben.
Mir wurde langsam klar – an einer guten Stelle zu sein, die Kamera richtig eingestellt zu haben, lange zu warten, ein tolles Stativ zu nutzen, das alles hilft nur bedingt.
Ich konnte feststellen, dass ich Eisvögel eher treffen konnte, wenn das Wetter gut war, entsprechend stand der aktuelle Sommer 2023 mit sehr viel Regen nicht unter dem Zeichen des Eisvogels.

Wie es geklappt hat

Schon gar keine Erwartung mehr an ein tolles Foto bin ich mit meiner Kamera und dem leichteren Teleobjektiv los, um mein Schrittziel für den Tag zu erfüllen – natürlich an die Oberschweinstiege.
Es war wieder bewölkt und ich war schon froh, dass es nicht regnen sollte.
Eine kurze Anreise, viel Natur und hoffentlich wenig Hunde, die mich anbellen und hoffentlich noch weniger Menschen, die mich auf mein großes Objektiv ansprechen oder gar fotografiert werden möchten.

Die Oberschweinsteige ist wie eine Acht aufgebaut, in der Mitte eine Holzbrücke, an der man beim Spaziergang zweimal vorbeikommt. Erfahrungsgemäß habe ich den Eisvogel immer eher dort gesehen, wo weniger Leute sind.
An diesen Punkt habe ich wieder neunzig Minuten gewartet und habe zwei Eisvögel an mir vorbeizischen sehen und das so schnell, dass ich nicht mal schnell genug schauen konnte, die Kamera zu heben erst recht nicht.
Wieder mal frustriert habe ich also den Rückweg angetreten und habe erst kurz vor dem Parkplatz gehört, wie ein Eisvogel anfing zu singen, zeitgleich lichteten sich die Wolken und die Sonne schien.

Ein Blick aufs Wasser, ein hellblauer Blitz fliegt in Richtung Parkplatz an mir vorbei und bleibt auf einem einsamen Ast sitzen. Ich haste schnell hinterher.
Der Ast steht so günstig, dass die Abendsonne den Eisvogel seitlich anstrahlt.
Der Hintergrund ist im Schatten und weiter weg, perfekt, so ist der Eisvogel sehr freigestellt.
Ich zoome maximal rein, aktiviere den APSC-Modus per Hotkey und löse aus.
Alles innerhalb von Sekunden.
Der Eisvogel verschwindet so schnell wie er kam.
Ich schaue mir das Ergebnis an und dort ist es – mein Zielfoto.

Happy End

Das Foto ist sehr schön und ich habe wirklich viel Arbeit in mein Eisvogel-Zielfoto gesteckt.
Es ist eine wirkliche Erlösung endlich eines an der Oberschweinstiege geschossen zu haben, um die ich so viele Runden gedreht habe und schon so oft so frustriert war.
Was es wirklich braucht, um den Eisvogel gut zu treffen weiß ich prinzipiell immer noch nicht, aber was am Ende geholfen hat, war der einhunderterste Versuch und das Durchhaltevermögen, trotzdem nochmal die Kamera einzustecken.
Es widerstrebt meinem Wesen, immer Gleiches zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten, aber dies ist eben das Unbegreifliche und Schöne an der Wildlife Fotografie – das Gefühl, wenn endlich klappt.
Viel schöner als das Resultat ist aber, dass ich viele Stunden draußen war und auch an Tagen, an denen nichts hinhaut, künftig motiviert bleibe.

In der Gewissheit, dass es irgendwann klappt, gehe ich auch gerne ohne Zielfoto wieder heim.

Mein nächstes Zielfoto hab ich auch schon im Kopf.

Autor:in
Jan Pauls
Account Manager
Hobbyfotograf, 33M, aus Frankfurt am Main.
Hobbyfotograf, 33M, aus Frankfurt am Main.

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