Keine Angst vor der Angst. Wie ich mich meiner Höhenangst in einem Hubschrauber über Manhattan stellte, um die Skyline fotografieren zu können

Eine Story von Bálint
22.07.2024

In dieser Story

Ich bin mit meiner Frau im Frühling erstmalig in die USA geflogen und wollten vieles erleben. Es waren sehr intensive knapp drei Wochen: NYC, Washington DC, Toronto, Niagarafälle, Boston, mit enorm viel Inputs.

In New York wollte ich Manhattan aus der Luft fotografieren, sodass ich nach reichlicher Überzeugungsarbeit, meine Frau überreden konnte, einen Hubschrauber Tour zu buchen. Zuvor viele Recherche-Arbeit über Blogeinträge, verschieden Anbieter angeschaut, ChatGPT befragt, gegoogelt und Berichte anderer gelesen, worauf man beim Fotografieren aus dem Hubschrauber achten müsste.
Es ist natürlich eine sehr kostspielige Angelegenheit, im ohnehin teuren New York, über Manhattan zu fliegen, es soll aber eine einmalige Gelegenheit sein, wenn man schon dort ist, hieß es. Ist ja auch so. Das Problem war aber, dass ich eine krasse Höhenangst habe. Ich hatte bereits aus einem Fernsehturm von 80 m Höhe massive Probleme, als ich vom Gelände, aber auf festem Boden, runterschaute. Wie würde es über Manhattan in einer Mindesthöhe von 300-600 m, aus einem sich bewegenden Hubschrauber sein. War keine angenehme Vorstellung. Aber ich musste mich meiner Angst stellen, wenn ich diese Perspektive und die Fotos haben wollte. Die Türe wurden einseitig abmontiert, um ohne Spiegelung des Fensters fotografieren und runterschauen zu können. Aus einem Hubschrauber, der halt da oben wackelt. Wir haben letztlich einen Anbieter aus New Jersey ausgewählt, der einen sog. „Door-off“ Flug anbot.

Ich wollte den spät möglichsten Termin zum Abheben buchen, damit ich in der goldenen Stunde fotografieren kann, was jedoch nicht klappte, weil es kein Angebot mehr so spät abends (gegen 19–20 Uhr) dafür gab. Wir sind gegen 17:30 Uhr gestartet, haben uns Manhattan aus Richtung Westen angenähert und über dem East River Manhattan passiert, in Richtung Central Park. Es gab hohe Luftfeuchtigkeit und kein gutes Licht. Es nervte mich daher etwas, aber man kann vieles nicht beeinflussen. Ich verhandelte innerlich am ganzen Tag mit dem Wettergott, aber er war wahrscheinlich anderweitig beschäftigt. Positiv betrachtet, er schickte uns wenigstens keinen Regen.
Im Hubschrauber saßen neben dem Piloten nur meine Frau und ich. Nach dem Sicherheitscheck und obligatorischen Vorkehrungen wurden wir mit einem Golfmobil zum Helikopter gefahren. Der Pilot fuhr, plötzlich drehte er sich zu mir und fragte mit trockener Stimme, „Sie haben also Skydiving gebucht?“ ein paar Sekunden später folgte ein verschmitztes Lächeln. Ich war bedient und wollte die Angst und Stimmung lockern und auch den Piloten auf meine Seite ziehen, damit er mich mit solchen Fragen nicht aufzieht. Ich sagte ihm, dass wir das erste Mal mit einem Hubschrauber fliegen. Man hätte es kommen sehen müssen: Er drehte sich mir wieder langsam zu und mit ähnlicher Gleichgültigkeit in der Stimme antwortete er mir, „Ich auch!“ Die Stimmung ist kurz eingefroren. Dann brach ein gequältes Lachen in uns aus.

Meine Frau saß vorne links im kleinen Hubschrauber, ich musste hinten Platz nehmen, wegen des höheren Gewichts, als das meiner Frau. Diese räumliche Trennung hat meine Entspannung nicht erheblich verbessert…
In meiner Aufregung habe ich den Sicherheitsgurt nicht fest angezogen, der Kunde vor uns war recht groß, sodass der Gurt zwar angeschnallt war, aber nicht fest an meinem Körper lag. Also, den Griff vor mir musste ich noch fester klammern, wie ich es ohnehin getan hätte.
Wir starteten, es hieß also, ca. 30 Min. völlige Kontrollabgabe. Das Problem war ja nur, dass ich den Griff loslassen musste, um mit meiner Kamera (Canon EOS R6 Mark II, mit einem Canon RF 2.8 L 24-70 mm Objektiv) beidhändig fotografieren zu können. Ich stellte auf „Reihenaufnahme schnell“ bei

Blende 2,8
Belichtungszeit 1/8000 Sek.
ISO-400
Brennweite 24 mm

und drückte den Auslöser gefühlt eine halbe Stunde lang durch. Ich wollte nichts verpassen.
Über dem Central Park flogen wir langsamer, um unsere Beine aus dem Hubschrauber hängend, verewigen zu können. Danach flogen wir weiter über dem Hudson River Richtung Downtown. Der Wettergott wurde uns gnädiger, sodass das Licht sich besserte und die Leuchtfeuchtigkeit sich etwa legte.
Ein unvergessliches Erlebnis, mit ganz vielen Bilder im Kasten, Zufriedenheit und Entspannung letztlich. Man könnte sagen, nach Passieren von Downtown und den Central Park hatte ich den Gipfel der Höhenangst überwunden und danach konnte ich das Fotografieren sogar genießen. Auf dem Rückweg zum Startplatz lächelte ich sogar, es war eine tolle Erfahrung im Außen, über Manhattans Skyline und im Inneren, wo ich meine Höhenangst ernst nahm, ihr aber nicht die Oberhand überließ.

Nachdem wir gelandet sind, drehte der Pilot sich mit seinem mittlerweile vertrauten Gesichtsausdruck um, diesmal mit einem fragenden Blick begleitet. Wir bedankten uns höflich. Kurz darauf ergänzte ich ihm noch mit trockener Stimme, die etwas vorwurfsvoll adressiert war, dass ich das Skydiving massiv vermisst habe. Nach einer kurzen Pause, brachen wir drei im plötzlichen Lachen aus und verabschiedeten uns angstfrei.

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Autor:in
Bálint
Psychotherapeut aus Kaiserslautern
Als Psychotherapeut tätig. Einen inneren Ausgleich zu den vielen Gesprächen mit Menschen in Not, brauche ich die Balance, die ich u. a., im Fotografieren von Städten, Natur und Tiere suche. Tolles Hobby zum Abschalten. Bis ein Foto nicht so ganz klappt, wie ich beabsichtigt habe… dann muss ich selber zum Therapeut gehen. 😉
Als Psychotherapeut tätig. Einen inneren Ausgleich zu den vielen Gesprächen mit Menschen in Not, brauche ich die Balance, die ich u. a., im Fotografieren von Städten, Natur und Tiere suche. Tolles Hobby zum Abschalten. Bis ein Foto nicht so ganz klappt, wie ich beabsichtigt habe… dann muss ich selber zum Therapeut gehen. 😉

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